übersetzungsprojekt

übersetzungsprojekt

mit SchülerInnen der 11. Klasse

Im Sommer 2009 fand über mehrere Wochen hinweg ein Übersetzungprojekt zu SKINNED von Robin Wasserman mit SchülerInnen der 11. Klasse am Königin-Olga-Stift-Gymnasium Stuttgart statt. Die bilinguale Ausrichtung der Schule und die Tatsache, dass viele Schüler kurz zuvor von ihrem Austauschjahr in den USA zurückgekehrt waren, waren ideale Voraussetzungen für eine angeregte Diskussion des Textes.

Was macht jugendliche Leser neugierig auf ein Buch, wenn sie in der Buchhandlung oder im Internet stöbern? Das Genre? Der Klappentext? Das Cover? Muss ein Buch spannend und unterhaltsam sein, oder soll es auch zum Nachdenken anregen? Welchen Raum nimmt Lesen für Jugendliche neben Internet, Filmen, Spielen und Musik ein? Lesen Mädchen anders als Jungen? Welche Eigenschaften machen einen Protagonisten sympathisch? Oder zum role model?

Die Beschäftigung mit einem authentischen literarischen Übersetzungsvorgang ließ die Schüler das Übersetzen als (inter-)kulturell relevanten Vorgang erfahren, während sie sonst Übersetzungen oft nur als linguistisches Klassenarbeitsgenre der Kategorie „discrete point testing“ wahrnehmen.

Übersetzungstheoretische Fragen standen bei der Textarbeit vor allem im Vordergrund. Wie verändert sich die „Stimme“ eines Texts durch unterschiedliche Übersetzungen? Sind englische Begriffe „cooler“ als deutsche? Inwieweit sind englische Wörter im deutschen Sprachalltag angekommen? Oder nicht mehr wegzudenken? Wo muss übersetzt werden, um das Textverständnis zu gewährleisten? Wo nimmt die Übersetzung „die Farbe des Fremden“? Meilen oder Kilometer? Gallonen oder Liter? Mom und Dad? Oder Mama und Papa? Warum ist ein ‚Vid’ kein Video? Und ein ‚Pic’ kein Foto?

Und zentral natürlich der Aspekt der „Jugendsprache“:

„Die Sprache der Jugendlichen ist sehr wandlungsfähig, vor allem das Vokabular der Jugendlichen ist einer ständigen Veränderung unterzogen. Es kann durchaus passieren, dass Begriffe, die heute noch überall benutzt werden, morgen von niemandem mehr verwendet werden. Eine „tagesaktuelle“ Jugendsprache wird daher sowieso nie (und von einem Erwachsenen schon gar nicht) in einem Text verwendet werden können. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass ein von einem Erwachsenen in perfekter und „aktueller“ Jugendsprache geschriebenes Buch von Jugendlichen vielleicht gar nicht gelesen werden würde. Die Jugendsprache ist das Territorium der Jugendlichen, Erwachsene sind da eher unerwünschte Eindringlinge und werden eher als lächerliche „Möchtegerns“ denn als Mitglieder angesehen. Alles in allem finde ich die Sprache von Skinned passend und modern.“

Zum Projekt

Das von unserem Englisch-Lehrer Herrn Dr. Jan Kulok mit der Übersetzerin der „Skinned“-Reihe, Frau Claudia Max, organisierte „Übersetzungsprojekt“ im Schuljahr 2008/09 war einmalig in meiner bisherigen 11-jährigen Schullaufbahn!

Im Vorfeld des Projektes haben wir (Klasse 11A des Gymnasiums Königin-Olga-Stifts, Stuttgart) in „Heimarbeit“ die von Frau Max frisch übersetzten Kapitel des Sci-Fi Romans „Skinned“ von Robin Wasserman gelesen. Einige Wochen später kamen wir schließlich zum Höhepunkt des Projekts: Dem Übersetzen eines Jugendbuches. Zum Einstieg in die Übersetzungsproblematik verglichen wir ausschnittsweise verschiedene Übersetzungen von „The Catcher in the Rye“ von J. D. Salinger. Schnell stellten wir fest, dass gerade in „Jugendsprache“ geschriebene Texte viel Fingerspitzengefühl des Übersetzers benötigen, damit er die passenden und zeitgemäßen Übersetzungen gerade eines „älteren“ Originaltextes findet. Außerdem hat der Übersetzer oft das Problem, dass es für einige englische Begriffe keine direkte deutsche Übersetzung gibt. Diese Problematik haben wir dann konkret an einigen Textstellen aus „Skinned“ kennen gelernt. Die ausgewählten Textstellen enthielten entweder englische Neologismen oder Fäkalsprache und sollten nun von uns zeitgemäß übersetzt werden. Anschließend haben wir dann in mehreren Unterrichtsstunden zusammen mit Frau Max unsere Übersetzungen diskutiert und bewertet. Einen ebenfalls großen Anteil an unserem Projekt hatte auch das Schreiben einer Rezension von „Skinned“ für den Löwe-Verlag mit Bewertung der einzelnen Charaktere, Spannungsbögen und Covergestaltungen.

Durch den kurzen Einblick in den Beruf des Übersetzers erscheinen mir die Probleme, die mir als Schüler bei Übersetzungen begegnen, auf einmal relativ klein. Das Übersetzungsprojekt mit Herrn Dr. Kulok, Frau Max und dem Löwe-Verlag hat mir – und ich glaube ich spreche hier für meine ganze Klasse –sehr viel Spaß gemacht. Seit meinen eigenen Versuchen, „Skinned“ leserfreundlich zu übersetzen, habe ich große Achtung vor jedem Übersetzer bekommen, der ein fremdsprachiges Buch flüssig und spannend in eine andere Sprache zu übersetzen versteht. Vor unserem Projekt hatte ich auf alle Fälle noch andere Vorstellungen vom Beruf des Übersetzers. Das alleinige Beherrschen der Fremdsprache genügt jedenfalls bei weitem nicht, ein übersetztes Buch erfolgreich auf den Markt zu bringen.

Insgesamt finde ich, dass ein solches Übersetzungsprojekt auch in anderen Klassenstufen durchgeführt werden kann und sollte. Der Schulunterricht in Kooperation mit einem namhaften Verlag und dessen Lektor bzw. Übersetzer war wesentlich lebendiger als manch andere Unterrichtseinheit, da wir als Schüler konkret in ein reales Projekt eingebunden waren und einen – wenn auch bescheidenen Beitrag – für den Erfolg des Buches leisten konnten. In der Regel wird im Unterricht ja ein fertiges Buch besprochen und interpretiert – da sind die Mitgestaltungsmöglichkeiten nicht wirklich gegeben. Mein Engagement bei diesem Projekt wurde durch diesen Umstand sehr beflügelt. (Sven Bitters 2010)

Zahlreiche Diskussionsergebnisse sind in die finale Übersetzung eingeflossen. Es war anregend, spannend und aufschlussreich, mit der avisierten Zielgruppe des Buchs zu diskutieren und eröffnete mir zahlreiche Einsichten im Hinblick auf die Übersetzung von Jugendliteratur. Dafür meinen herzlichen Dank an die 11a des Königin-Olga-Stift-Gymnasiums Stuttgart.